Schweizer Fachgesellschaft für Rheumatologie thematisiert Biosimilars
An der Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Rheumatologie (SGR) in Interlaken wurde dieses Jahr das Thema der Biosimilars beleuchtet. Die Referate der Fachleute zeigten, dass es überzeugende Argumente dafür gibt, Biosimilars häufiger einzusetzen.
Das Thema der Biosimilars erreicht mittlerweile eine grosse Bandbreite der wissenschaftlichen Gemeinschaft, steht es doch inzwischen sogar auf der Agenda Schweizerischer Fachgesellschaften wie der SRG (Schweizerische Gesellschaft für Rheumatologie). Der Vorsitzende und Präsident der SGR, Prof. Dr. med. Daniel Aeberli vom Inselspital, Bern, eröffnete die Veranstaltung mit dem Ziel, die Teilnehmenden adäquat über das Thema zu informieren, sodass sich jede:r Einzelne eine fundierte Meinung bilden könne.
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Pro- und Contra-Diskussion
Den Reigen der Vorträge eröffnete eine Debatte über die Vor- und Nachteile der Biosimilars. Dabei betonte Dr. med. Thomas Langenegger, Leitender Arzt für Rheumatologie am Zuger Kantonsspital in Baar folgenden Vorteil: „Biosimilars sind hinsichtlich Struktur, biologischer Aktivität, Immunogenität, Sicherheit und Wirksamkeit sehr ähnlich und gleichwertig zum Original. Sie durchlaufen bis zur Zulassung einen strengen Prozess.“ In sehr vielen Studien mit unterschiedlichen Designs sei die Umstellung von einem Referenzprodukt auf ein Biosimilar untersucht worden. Es habe sich gezeigt, dass Biosimilars in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit dem Originalpräparat gleichwertig seien. Man könne auch stabile Patientinnen und Patienten auf ein Biosimilar umstellen. Hier sei es wichtig, die Patientinnen und Patienten gut zu informieren. Zudem beleuchtete Dr. med Langenegger den günstigeren Preis der Biosimilars. Diese müssen bei ihrer Einführung 25% günstiger sein als das Referenzprodukt. So haben Biosimilars aufgrund ihres Sparpotenzials mittlerweile auch Eingang in aktuelle internationale Therapierichtlinien gefunden.4 Prof. Dr. med. Xenofon Baraliakos aus dem Rheumazentrum Ruhrgebiet in Herne (D) meinte hierzu: „Auch die Patienten kümmern sich um die Kosten, wenn es um Shared Decision Making geht.“ 5
Prof. Dr. Andrea Rubbert-Roth vom Kantonsspital St. Gallen erörterte auch einige Nachteile. Sie meinte: „Ähnlich ist nicht identisch. Es gibt gewisse Unterschiede zwischen Referenzprodukt und Biosimilar, mit denen wir umgehen müssen.“ Einzelnen Fallberichten zufolge könne die Umstellung von einem Referenzprodukt auf ein Biosimilar auch mit negativen Erfahrungen einhergehen.1 Im Alltag könne der Einsatz von Biosimilars zu verschiedenen Herausforderungen führen. So führte Frau Prof. Rubbert-Roth eine mangelnde Überschaubarkeit der Preise und fehlendeTransparenz im Beipackzettel als Beispiele an.
Deutschland setzt auf Biosimilars
Prof. Dr. med Xenofon Baraliakos berichtete, dass Biosimilars nach ihrer Zulassung in Deutschland sehr viel rascher verfügbar waren als in anderen EU-Ländern.2 Biosimilars seien von Beginn an häufig eingesetzt worden, was zu einer Verdopplung der Biosimilar-Verschreibungen zwischen 2017 und 2018 geführt habe.3 Des Weiteren betonte er die umfangreiche Datensammlung zu Biosimilars im Rahmen der Pharmakovigilanz. So seien sämtliche Biosimilars in Deutschland in Register eingebunden, wie zum Beispiel das RABBIT Register. Prof. Dr. med. Burkhard Möller vom Inselspital Bern, wies im Anschluss darauf hin, dass auch in der Schweiz der Einsatz eines Biosimilars in einem Register erfasst werde, nämlich in der SCQM (Swiss Clinical Quality Management in Rheumatic Diseases) Datenbank. Er betonte, dass es keinen rationalen Grund gebe anzunehmen, dass Biosimilars schlechter seien als das Referenzprodukt. „Der Zulassungsprozess eines Biosimilars ist nicht oberflächlicher als für ein Referenzprodukt, sondern es handelt sich dabei einfach um ein anderes Prozedere. Die Masse an präklinischen Daten, die für die Zulassung eines Biosimilars eingereicht werden muss, ist enorm und deckt alle entscheidenden Bereiche ab.“ Er folgerte, dass der einzige relevante Unterschied zwischen Biosimilars und ihren Referenzprodukten ein ökonomischer ist.
In der Schweiz noch zu selten eingesetzt
Prof. Dr. med. Axel Finckh vom Universitätsspital Genf erläuterte die Situation der Biosimilars in der Schweiz weiter. Er erinnerte an die stetig steigenden Gesundheitskosten, welche sich in den letzten 30 Jahren verdoppelt hätten. Biosimilars würden jedoch trotz ihres Sparpotenzials in der Schweiz nur zögerlich an Bedeutung gewinnen. So habe der Anteil des ersten zugelassenen Infliximab-Biosimilars am gesamten Infliximab-Markt im Juni 2021 (rund fünf Jahre nach Zulassung) lediglich 27% betragen. In Norwegen dagegen liege dieser Anteil bei fast 100 %. Gründe für den zögerlichen Einsatz von Biosimilars sah er unter anderem in fehlenden Anreizen zur Verschreibung. „Manchmal muss man sich sogar dafür rechtfertigen, wenn man das günstigere Medikament einsetzt“, berichtete er. Er kam zum Schluss, dass sowohl eine ausführliche Aufklärung der Patientinnen und Patienten über Biosimilars von Bedeutung sei als auch die eigene Überzeugung der Ärztinnen und Ärzte selbst, da nur so die Patientinnen und Patienten zur Partizipation bewogen würden.
System setzt falsche Anreize
Dr. pharm. Enea Martinelli, Spitalapotheker der Spitäler Frutigen-Meiringen-Interlaken AG, machte in seinem Vortrag deutlich, dass Biosimilars für den verschreibenden Arzt aufgrund der geringeren Margen im Vergleich zu den Referenzprodukten von einem wirtschaftlichen Standpunkt aus nicht attraktiv sind. „Es gibt keine Motivation, ein Biosimilar zu verschreiben. Das System setzt hier falsche Anreize“, betonte er. Um die Versorgungssicherheit auf längere Sicht garantieren zu können, sei die Vielfalt des Angebots entscheidend. Diese Vielfalt könne nur gewährleistet werden, wenn verschiedene Hersteller eine Bandbreite an Biosimilars anbieten würden. Daher müsse die Produktion und der Verkauf von Biosimilars attraktiver gestaltet werden.
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Referenzen:
1. Pagnini C et al. Similar But Not Identical: Plaque Psoriasis Exacerbation in a Patient With Crohn’s Disease After Switching From CT-P13 to SB2 Infliximab Biosimilar. Inflamm Bowel Dis 2020;26:e83-e84
2. AG Pro Biosimilars, IQVIA MIDAS, März 2018: IQVIA Global Consulting Services, Juli 2018.
3. AG Pro Biosimilars, INSIGHT Health GKV – Verordnungsdaten der Fertigarzneimittel.
4. Smolen JS et al. EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs: 2019 update. Ann Rheum Dis 2020;79:685-699.
5. Singh JA et al. Important determinants of the patient choice between TNF- vs. non-TNF Biologic disease-modifying anti-rheumatic drugs (DMARDs) for active rheumatoid arthritis (RA). Joint Bone Spine 2020;87:307-313.